Viele Menschen
sehnen sich nach einem inneren Zustand, den man schwer beschreiben, aber sofort spüren kann: zentriert sein.
Im Moment sein.
Fokussiert.
Klar.
Eine Ruhe, die nicht nur innen wirkt, sondern sich auch nach außen überträgt – in Blick, Stimme, Haltung.
Es ist diese Form von Gelassenheit, die nicht kühl ist, sondern wach.
Nicht passiv, sondern präsent.
Diese innere Mitte ist kein Ort, den man einmal findet und dann nie wieder verliert.
Sie ist ein Zustand. Ein Prozess. Ein Üben.
Und sie ist das Gegenteil von Kontrolle.
Denn während Kontrolle versucht, das Außen zu bändigen,
geht es bei der inneren Mitte darum, sich im Inneren zu verankern.
Klarheit statt Kontrolle.
Klarheit bedeutet nicht, dass alles im Außen stimmt.
Klarheit bedeutet: Ich weiß, was in mir gerade geschieht.
Ich kann unterscheiden, ob das, was mich gerade triggert, wirklich mit dem anderen zu tun hat – oder mit mir selbst.
Ich erkenne, wann mein System reagiert, weil ein alter Schmerz aufgewacht ist.
Ich sehe, wann ich in eine Bewertung rutsche, weil ich mich selbst an etwas erinnert fühle, das ich lieber nicht spüren will.
In der Begegnung mit anderen Menschen werden wir ständig gespiegelt.
Ein Wort, ein Tonfall, ein Blick – und plötzlich schießt ein Impuls durch uns: Abwehr, Wut, Rückzug, Angriff.
Das sind die Momente, in denen wir unsere innere Mitte verlieren.
Oder besser gesagt: in denen sichtbar wird, dass wir gerade nicht mehr in ihr sind.
Manchmal beneiden wir jemanden, ohne es zu bemerken.
Manchmal ist das Verhalten des anderen ein Spiegel für eine Schattenseite in uns.
Manchmal trifft uns ein Satz, weil er einen alten Schmerz berührt – einen, den wir jahrelang weggedrückt haben.
Und oft hat das alles wenig mit der aktuellen Situation zu tun – sondern viel mit unserer Geschichte.
Die Kunst, aus der inneren Mitte zu leben oder zu führen, beginnt mit der Fähigkeit, diese Auslöser zu erkennen.
Was bringt mich aus der Mitte? Und warum?
Diese Frage ist nicht immer angenehm. Aber sie ist ehrlich.
Und sie ist der Anfang von Klarheit.
Denn Klarheit heißt: Ich sehe.
Ich nehme wahr, was ist.
Nicht das, was ich mir wünsche. Nicht das, was ich verdränge. Nicht das, was ich überdecke.
Sondern das, was jetzt ist.
Klarheit ist nicht romantisch.
Sie ist nicht dramatisch, nicht glitzernd.
Aber sie ist kraftvoll.
Und sie macht uns frei – weil wir aufhören, im Außen alles kontrollieren zu wollen.
Wir beginnen, uns selbst zu führen.
Mit Präsenz. Mit Atem. Mit Gewahrsamkeit.
Für mich persönlich beginnt das ganz konkret:
Wenn ich in einem Raum bin, ziehe ich die Schuhe aus.
Ich gehe barfuß, um mich zu erden.
Ich atme bewusst.
Ich beobachte, was in mir auftaucht – ohne es sofort zu verändern.
Die innere Mitte ist kein Ziel. Sie ist ein Rückweg.
Zurück zu dir.
Zurück zu deinem inneren Kompass.
Zurück in einen Moment, in dem du nicht mehr kämpfen musst – weil du siehst, was ist.
Und das genügt.